Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat mit seinem Spruch vom 07.06.2016, Az. KZR 6/15, in der Sache von Claudia Pechstein gegen die ISU einen Schlusspunkt gesetzt. Einen vorläufigen Schlusspunkt allerdings, denn Claudia Pechstein hat gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.
Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich das Urteil des BGH in dieser Sache nicht für überzeugend halte. Dass Claudia Pechstein mit der im Schiedsspruch des CAS gegebenen Begründung niemals wegen eines Dopingverstoßes verurteilt hätte werden dürfen (natürlich unabhängig von der nicht juristischen Frage, ob sie tatsächlich gedopt hat), ist kaum noch zu bestreiten. Bei den deutschen Sportverbänden gilt sie zudem nach der eindeutigen Äußerung des DOSB-Präsidenten als rehabilitiert. So ist es aus meiner Sicht bedauerlich, dass der BGH dem CAS als Schiedsgericht einen Persilschein ausstellt und Claudia Pechstein die – zumindest gut mögliche – rechtliche Rehabilitation versagt.
Entsprechend kritisch ist das Urteil des BGH auch überwiegend im Schrifttum aufgenommen worden. Prof. Dr. Hermann-Josef Bunte, nach seiner Emeritierung von der Helmut Schmidt Universität in Hamburg nunmehr Rechtsanwalt in Bielefeld, wird am deutlichsten: „Die Begründung dafür, ein strukturelles Ungleichgewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts zu verneinen, mutet naiv an“ (EWiR 2016, 415), was er in WuW 2016, 364, 367 noch weiter und insbesondere damit begründet hat, dass der BGH eine Indentität der Interessen der Sportverbände und Sportler angenommen hat. Etwas feiner, aber nicht weniger eindeutig, formuliert es Prof. Dr. Dr. h.c. Hanns Prütting, Universität zu Köln: „Die klaren Ergebnisse des BGH, wonach der CAS ein echtes Schiedsgericht darstellt und die Unterwerfung der Athleten unter die jeweiligen Schiedsklauseln der nationalen und internationalen Verbände als freiwillig anzusehen ist, werden durch vertretbare, aber nicht sonderlich zwingende Entscheidungsgründe untermauert. Warum die Zusammensetzung der geschlossenen Schiedsrichterliste für den CAS und vor allem die Bestellung des Vorsitzenden des konkreten Spruchkörpers bei Uneinigkeit der Parteien bedenkenfrei sind und keiner Reform bedürfen, erschließt sich dem Betrachter nicht“ (SpuRt 2016, 143). Zurückhaltender, aber ebenfalls ablehnend äußert sich Prof. Dr. Peter W. Heermann von der Uni Bayreuth: „Ein ‚blaues Auge‘ ist üblicherweise nur eine vorübergehende Erscheinung und heilt schnell. Der mahnende Zeigefinger des Kartellsenats wird beim CAS gleichfalls kaum nachwirken. Indes ist die Argumentation des BGH, die ihn zu den eingangs dargestellten Rechtsansichten führte, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit teils erheblichen Zweifeln behaftet. Diese bleiben einstweilen bestehen und sind kaum geeignet, die nicht nur unter Athleten verbreiteten Vorbehalte gegenüber dem CAS auszuräumen. Hier sollte und kann nicht auf die Selbstheilungskräfte der Natur vertraut werden“ (NJW 2016, 2224). Auch nach meiner Auffassung ist diese zentrale Wertung des BGH nicht haltbar. Dass die CAS-Panel nicht paritätisch und ausgewogen besetzt sind, drängt sich förmlich auf, wenn man die überproportional verbandslastige Besetzung des ICAS (das Gremium, das die Schiedsrichter der Schiedsrichterliste bestimmt) und das Procedere für die Vorsitzendenbenennung lebensnah bei der Bewertung berücksichtigt. Dies wird nach einem Blick auf die nebenstehende Folie aus meinem Powerpoint-Präsentation zu meinem Vortrag zum Fall Claudia Pechstein besonders sichtbar: 16 der 20 Beisitzer werden unmittelbar und mittelbar von Sportverbänden ernannt.Mehr…