Der CAS ist tot, es lebe der CAS! Zur Zukunft des Sportschiedsgerichts

Darüber, dass die Pechstein-Verfahren des Landgerichts München I und des Oberlandesgerichts München die sportrechtliche Welt dauerhaft verändern können, ist viel geschrieben worden. Vermutlich Anfang 2016 wird sich der BGH im Wege des Revisionsverfahrens mit der Causa Pechstein beschäftigen und eine zunächst endgültige Entscheidung dazu treffen, ob CAS-Schiedssprüche der Kontrolle durch deutsche Gericht unterliegen. Die rechtlichen Anknüpfungspunkte dafür sind mannigfaltig. Die aufgeworfenen Fragen komplex.

SpuRt_160wIn diesem Zusammenhang ist dem Internationalen Sportschiedsgerichtshof wegen behaupteter Mängel gerade aus Deutschland wiederholt ein heftiger Wind ins Gesicht geschlagen. Wenn der CAS durch eine BGH-Entscheidung auf der Linie der Vorgerichte sein Letztentscheidungsmonopol für sportliche Sachverhalte verliert, ist er als Institution erheblich in Frage gestellt. Im Heft 6/2015 der Zeitschrift für Sport und Recht (SpuRt) – erscheint im Dezember – setze ich mich in einem Aufsatz mit dem Titel „Zur Zukunft der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Sport – auch in Deutschland“ mit Kritikpunkten an den CAS-Strukturen auseinander und frage, welche Reformen für eine Zukunft des CAS notwendig sind. Bei allem Reformbedarf stelle ich jedoch fest, dass ein Internationales Sportschiedsgericht, das nach bewährten rechtsstaatlichen Standards arbeitet, für den weltweit organisierten Sport unverzichtbar ist. Deswegen sollten die Reformen nunmehr gemeinsam angegangen werden.

Nach der Einleitung

„Entscheidet der BGH zu Beginn des Jahres 2016 in der Sache „Pechstein“, wird er damit zugleich Pflöcke für die Zukunft der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport und damit auch für die Zukunft des CAS einschlagen, so viel ist klar. Öffentliche Kritik und richterliche Zweifel an dem Sportschiedsgericht scheinen häufig ein deutsches Phänomen zu sein, was auch schon moniert worden ist. Im Vorfeld der höchstrichterlichen Entscheidung scheinen ein paar Überlegungen zur Zukunft angebracht.“

überprüfe ich unter den Gliederungspunkten zunächst die Frage, ob das Rechtsstaatlichkeitspostualt als deutsche Spezialität in einem allgemeinen Konsens ein Störfaktor ist oder auf einem größeren Rechtskonsens beruht (I.). Aspekte des Schiedszwangs (II.) werden ebenso behandelt, wie wohl feststehende Besetzungs- und Verfahrensmängel (III.). Und natürlich muss bei für Athleten gleichsam lebenswichtigen Sachverhalten ein besonderes Augenmerk auf die Entscheidungsqualität (IV.) gelegt werden.

Die Überlegungen führen mich zu folgendem Fazit:

„Bestätigt der BGH die Entscheidung des OLG München, geht der CAS einstweilen unter. Er wird aber bald wieder auftauchen, weil er gebraucht wird und gewollt ist. Gewollt ist heute aber ein anderer, ein reformierter CAS. So ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens vor dem CAS einer gewissen Dynamik unterliegen; „was vor Jahren akzeptiert wurde, gilt allenfalls heute nicht mehr“. Diese Weisheit gilt für rechtliche Anforderungen in den verschiedenen Lebensbereichen: So war für den Unternehmens- wie den Sportjuristen der Begriff der „Compliance“ im Jahr 2000, in dem jüngsten Berichten zufolge außeretatmäßige Zahlungen die Vergabeentscheidung einer Fußballweltmeisterschaft beeinflusst haben sollen, eher noch ein Fremdwort mit allenfalls groben Konturen. Und auch Bundesministerin Ursula von der Leyen kämpft wahrscheinlich im Wesentlichen damit, dass die fachspezifischen Sorgfaltsanforderungen bei der Abfassung einer Dissertation heute deutlich strenger sind als vor 25 Jahren. Eine solche Verschiebung in der rechtlichen aber auch moralisch-ethischen Bewertung mag dazu führen, dass wir in der Vergangenheit liegende Sachverhalte mit einer gewissen Milde betrachten.

Für die Zukunft indes müssen ernsthafte Bemühungen erkennbar sein, mit der Organisation die nunmehr geltenden Regeln und Vorstellungen einzuhalten. Dies funktioniert – in allen Bereichen! – am besten mit strukturellen Veränderungen. Für den CAS sind die Zeichen der Zeit erkannt: Es müssen an den Problemstellen grundlegende Reformen her, damit der CAS endgültig ein vollwertiges Schiedsgericht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen wird. Nur so wird der Gerichtshof den gegenwärtigen rechtlichen Anforderungen an Schiedsgerichte und den zu Recht postulierten Gerechtigkeitsansprüchen der Athleten gerecht.

Diese Anforderungen und Wünsche sind keine deutsche Spezialität. Das Schutzniveau ist jedenfalls in Europa i.W. einheitlich; es wird auch in vielen der anderen demokratisch verfassten Staaten erreicht. Mit weniger dürfen wir uns allerdings nicht zufriedengeben. Auch hier kann der organisierte Sport einmal mehr wichtiges Transportmittel für Werte sein. Hierzu gibt es keine Alternative: Denn ein weltweit hohes rechtsstaatliches Schutzniveau ist für den Athleten und die Glaubwürdigkeit des Sportrechts nie schlecht. Und den dieses Netz aufspannenden Verbänden steht es – gerade in der heutigen Zeit – bestens zu Gesicht.“

Die ausführliche Argumentation und die vertiefte Analyse kann ab Dezember im Heft 6/2015 der SpuRt nachgelesen werden. Das Ergebnis indes steht fest: Der CAS als Internationaler Sportschiedsgerichtshof ist ebenso unverzichtbar wie dringend notwendige Reformen an seiner Struktur.

 


 

Bildnachweis: Gebäude des CAS in Lausanne. Eigenes Werk von Fanny Schertzer unter CC-BY-3.0-Lizenz. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Court_of_Arbitration_for_Sport_-_Lausanne_2.jpg. Vorgenommene Veränderungen: Schwarzweiß-Filter.

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